Gespräch mit dem Historiker Arthur Bruls
Dachtet ihr auch immer, dass Plattenbausiedlungen ein typisches DDR Phänomen sind? Der niederländische Historiker Arthur Bruls berichtete uns von Bijlmermeers, einer riesigen Plattenbausiedlung südöstlich von Amsterdam. Es ist die Geschichte von Stadtplanern, die dachten, sie könnten eine Stadt bauen, in der sich alle sozialen Problemen von selbst lösen und Bewohner ihre eigenen Lösungen finden – ein Leben, so durchorganisiert wie eine Pauschalreise.
Ender der 80er Jahre wohnte Arthur Bruls selbst in Bijlmermeers in einer WG mit zwei afrikanischen Geflüchteten. Der Stadtteil war damals verrufen als sozialer Brennpunkt. Wir sprachen über Beton gewordene Ideologie, über „vulgär-Sozialismus“, über Architektur als Projektsionsfläche dafür, wie wie man über Gesellschaft nachdenkt und Großwohnsiedlungen als von oben eingesetztes Mittel, um Ordnung in eine Stadt zu bringen. Wir erfuhren, dass in den 1970er Jahren, als die holländischen Kolonie Surinam ihre Unabhängigkeit erhielt, ehemalige Sklaven von dort nach Amsterdam kamen und teilweise Hochhäuser in Bijlmermeers besetzten und dass 1992 ein israelisches Transportflugzeug in eines der Gebäude stürzte. Offizell kamen dabei mehr als 40 Menschen ums Leben – die zahlreichen illegalen Bewohner*innen nicht mitgezählt.
Im Zuge einer Sehnsucht nach dem Sozialstaat der 80-er Jahre, den das Viertel zu verkörpern scheint, erfährt das Viertel heute eine neue Popularität. Laut Arthur entwickelt sich Bijlmermeers zum „Connewitz von Amsterdam“.
Für alle, die den Vortrag verpasst haben: wir planen ihn im Rahmen der X. Expedition „Lange Lene“ im September 2017 zu wiederholen.